Aufbruch/Departure


Memory: Au Pair Reise nach England

Mein erstes grosses Abenteuer unternahm ich mit 19 im Oktober 1984. Ich reiste nach London um eine Stelle als Au pair Mädchen zu finden. In den frühen Morgenstunden fuhren meine Eltern mich vom Saarland in Deutschland über die Grenze zum Bahnhof nach Metz in Frankreich. Alleine stieg ich mit einem grossen, dunkelroten Koffer in den Nachtzug aus Italien in Richtung belgischer Küste. Ich erinnere mich wenig an die Einzelheiten der Fahrt. Vielleicht weil es dunkle Nacht war? Mein erstes Erinnerungsbild ist der Bahnhof Bruxelles Midi in Belgien. Hier stieg mein Abteilnachbar aus. Der Zug war ein damals gewöhnlicher Fernzug mit Abteilen für sechs Personen und einer Glasschiebetür zum Gang hin. 

Ich erinnere mich wenig an Gefühle. Ich vermute, dass ich bis zum bersten nervös und aufgeregt war, aber ich erinnere mich nicht daran. Irgendwann erreichten wir Ostende, an der belgischen Küste.  Ich weiss nicht mehr, wie ich vom Bahnhof zur Fähre gelangte. War der Bahnhof nahe am Hafen? Fuhr ein Bus? Ich könnte das nachschauen, aber es ist interessanter das Abenteuer aus der Erinnerung zu erzählen! An die Überfahrt nach England erinnere ich mich ebenfalls wenig! Das Wetter war grau und regnerisch, das Meer unruhig,  fasst stürmisch. Am Anfang fand ich das aufregend. “Wie Kirmes!”, dachte ich. Aber je länger und intensiver der Seegang, desto unwohler fühlte ich mich. Irgendwann sass ich in meinem Sitz, halb liegend, und versuchte mich auf einen stillen Punkt zu konzentrieren. 

“These are the things, these are the things, the things that dreams are made of!” 

Human League spielte auf meinem neuen Walkman, den ich mir damals extra für meine Englandreise gekauft hatte. Um mich herum war eine Gruppe japanischer Touristen. Völlig bleich sassen sie in ihren Sitzen. Ich konzentrierte mich auf meinen Magen, aber als meine Mitreisenden anfingen sich zu übergeben, wurde auch mir übel! An das Erblicken der berühmten Kreidefelsen von Dover erinnere ich mich kaum. Bis zum Anlegen im Hafen dauerte es eine Ewigkeit. 

Erinnerungsbilder des Verlassens der Fähre: die kalten, weissen Stahltreppen, der schicke Engländer mit Schirm und dem Mantel über dem Arm, der mir anbot meinen Koffer zu tragen. “If you carry my coat I’d be happy to carry your suitcase!” Wie aufregend. “Yes, please.” Als er den Koffer hob, stellte er jedoch fest: “It is very heavy luggage!” Er fragte mich was ich vorhätte und ich antwortete  ihm, dass ich beabsichtigte ein Jahr in London zu verbringen. So schnell wie er neben mir aufgetaucht war, war er auch wieder verschwunden. Es war ein schönes Willkommen und als junges Mädchen weckte die Begegnung romantische Sehnsüchte in mir. 

Am Zoll stempelte man mir dann meine Immigration Card und ab dem Moment war ich in Grossbritannien eingewandert.  


Aufbruch/Departure, work in progress, July 20202